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Alwin Nachtweh

Berlin - Kreuzberg - Mariannenplatz

Der Mariannenplatz in Kreuzberg war für Mauerspechte die ertragreichste Stelle.

Von mir aus, das heisst, wo ich meine Werkstatt hatte, war es einfach die nächstgelegene Stelle, an der ich mich an der Mauer einfand.

Hätte ich mir ein Konzept entworfen und darin die optimalste Stelle an der Mauer gesucht. Ich wäre auch hier gelandet.

Am Mariannenplatz wohnten nämlich die beiden Künstler, Christoph Bouchet und Thierry Noir. Sie waren ganz einfach genervt jeden Tag aus der Haustüre zu kommen und eine graue Mauer zu sehen. Deshalb waren sie waren die ersten, die die Mauer komplett von oben bis unten bemalten.

 Es kamen im Laufe der Zeit natürlich andere künstlerisch veranlagte Menschen vorbei und hinterliessen ihre Spuren. So dass es hier vorkam, dass ich auf meinen abgespechteten Mauerbrocken bis zu sieben Farbschichten übereinander vorfand. Das erschien mir ziemlich fälschungssicher. Diejenigen, die so ein Mauerstück zuhause haben, können jetzt aufatmen. Die aber, die stattdessen ein Zertifikat dabei haben, die sollten nochmal nachdenken. Eventuelle Bedenken sind mit meinen Fotos zu beseitigen. Jeden Tag kamen mehr Touristen nach Berlin und alle wollten auf jeden Fall ein Stück von der Mauer mitnehmen. Die Nachfrage mußte erst mal befriedigt werden. So konnte ich leider schon früh festellen, dass nicht jeder den gleichen Respekt vor der Geschichte hat. Ich hatte verstanden, das war einmalig in der Weltgeschichte, was da plötzlich um mich herum passierte. Deshalb freut es mich um so mehr, dass sie jetzt meiner Geschichte folgen.

Es gab noch einen anderen Künstler der hier in Kreuzberg wohnte und wirkte. Indiano war direkt am Leuschnerdamm zuhause.

Fotos:mauer-specht.de

Und so sah es auch aus. Indiano hat seine Bilder immer wieder ausgebessert, wenn die Mauerspechte dran genagt hatten. Hier, mit der roten Hose, traf ich ihn am frühen Morgen. Er wusste, dass ich seine Bilder nicht anrühre. Im Gegenteil, wenn ich jemanden traf, der es gerade versuchen wollte, habe ich ihm die Situation erklärt und davon abgehalten.

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Das Gedächtnis der
Steine
von David Ensikat
 Aus dem Tagesspiegel,
Seite 3,
13. August 2003!